[Buchrezension] Der Traum vom Horizont - Alexandra Fischer

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Zusammenfassung:

»Träumt nicht jeder von uns vom Horizont? Davon, dass es dort anders ist, womöglich gar besser? Ich tat es«, flüsterte Rosa von Bahlow und dachte daran, dass jede ihrer drei Töchter einen Mann liebte. In Anbetracht der Umstände jedoch jede von ihnen den falschen.
Apia, 1902: Die adelige Familie von Bahlow kommt aus Potsdam in die Kolonie Deutsch-Samoa, um dort einen Neuanfang zu wagen. Während der ehrgeizige Karl von Bahlow davon besessen ist, sich als Pflanzer einen Namen in der Kolonie zu machen, erleben seine Frau Rosa und die drei Töchter Grethe, Helene und Martha den Umzug in die neue Heimat auf ihre ganz eigene Weise. Die fremdartige Kultur der Südsee verändert jede der vier Frauen, beschwört schicksalhafte Begegnungen herauf und zeigt ihnen den Zauber der Liebe, während sich die Ereignisse schließlich überstürzen und im Ausbruch des ersten Weltkrieges gipfeln, der alles auseinanderzureißen droht.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich wahrscheinlich ohne ein paar bestimmte Szenen sagen würde, dass dieses Buch nicht so ganz mein Fall war und es mir an manchen Stellen wirklich schwer viel, überhaupt weiter zu lesen. Aber dann kamen diese bestimmen Szenen, die mich tief berührt haben und die dieses Buch zu etwas Besonderem machen. Und je weiter es zum Ende zuging, desto trauriger wurde es und desto mehr Tränen flossen mir über die Wangen. Ich würde gern behaupten, dass dieses Buch nur historisch ist, aber genau das ist es eben NICHT! Wir leben leider immer noch in einer Welt, in der nicht jeder die gleichen Chancen hat. Dabei rede ich aber nicht nur von Männer und Frauen. Nein, mir geht es hier besonders um die Hautfarbe. Die spielt im Buch ebenfalls eine Rolle und ich würde mir wünschen, dass ich sagen könnte: „Heute ist es egal, wie du aussiehst. Es ist wichtig, wer du bist!“ Aber das kann ich einfach nicht! Und das macht mich unheimlich traurig.


Die Story an sich finde ich immer noch sehr interessant. Sie beginnt im Jahr 1902, als die Familie von Bahlow nach Samoa auswandert. Eine interessante Idee wie ich finde. Das Buch zieht sich dann über mehrere Jahre bis 1915 schließlich. Mitten im ersten Weltkrieg. Vielleicht mag diese Zeit für manche sehr lang erscheinen, doch damit sich etwas entwickelt, braucht es Zeit. Man kann keine Veränderungen innerhalb von wenigen Wochen hinausbeschwören. Die Geschichte lebt von der vergangenen Zeit. Und macht sie dadurch teilweise noch trauriger. Dabei hat mich besonders Marthas Schicksal berührt. Um sie habe ich wirklich geweint. Und natürlich um Helene. Ich möchte so gern mehr dazu sagen, aber ich will euch nichts verraten. Ich kann nur auf das Zitat von Rosa in der Zusammenfassung verweisen. =)
Was ich noch sagen will: Bevor ich das Buch angefangen hatte, sagte mir die Autorin, dass es sich um Geschichte, Liebe und Intrigen und die Stellung der Frau in der damals gängigen gesellschaftlichen Struktur dreht, aber für mich war es irgendwie trotzdem mehr. Denn es ging nicht nur um die Stellung der Frau. Für mich war dieses Buch auch ein Buch über Toleranz gegenüber seinen Mitmenschen. Kann ich die Fehler der Anderen akzeptieren?


Die Spannung in diesem Buch war ein ständiges Auf und Ab. Selbst zum Schluss gab es immer noch einige Tiefs, während es zu Beginn auch ein paar eindeutige Hochs gab. Jedoch muss ich leider sagen, dass die Spannung nie auf einem gewissen Level blieb. Sie schwankte zwischenzeitlich sehr stark. Ein Grund dafür war, dass die Kapitel sehr lang waren. Mir hätte es besser gefallen, wenn man manche Kapitel gekürzt hätte oder vielleicht zwei daraus gemacht hätte. In einer bestimmten Situation hätte ich gern auch noch etwas über die Gedanken der anderen Personen erfahren. Doch das kam meist immer erst dann, wenn es bereits zu spät war. In jedem Kapitel spielte sich eine andere Geschichte ab, die sich schließlich zu dem traurigen Schicksal der Familie zusammensetzte. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn man zwischen den einzelnen Kapiteln mehr Bezug auf das Vorherige genommen hätte und die Sprünge nicht ganz so groß gewesen wären.


Der Schreibstil jedoch blieb genauso schön, wie ich es auch schon bei Rockherz erlebt hatte. Ich muss einfach sagen, dass sie Talent hat, mit Worten umzugehen! Das kann man gar nicht anders beschreiben und ich würde mich wundern, wenn hier jemand etwas anderes sagt. Alexandra Fischer hat ein echtes Talent dafür, Situationen zu beschreiben. Man kann sie sich so einfach vorstellen und man hat schnell das Gefühl, als wäre man wirklich dort.
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sie es locker mit den Bestseller-Autoren dieser Welt aufnehmen kann. Ich würde sogar behaupten, dass sie Einige davon toppt. Dieser Schreibstil ist fantastisch. Ich kann es einfach nicht anders ausdrücken.


Und nun zu den Charakteren.
Als erstes möchte ich mit Rosa anfangen. Sie ging mir zu Beginn ganz dezent auf die Nerven und auch im Verlauf des Buches war ich nicht sonderlich scharf drauf, ihre Perspektive kennenzulernen. Allerdings war sie im Blickwinkel der Anderen vollkommen faszinierend. Sie wurde von ihrem Mann unterdrückt und litt dadurch. Sie hatte eine gewisse Angst vor ihm und ausgerechnet dann verliebte sie sich noch in eine andere Person. Da ist Stress doch fast vorprogrammiert. Mit der Zeit wird sie immer labiler und setzt sich selbst damit unter Stress. Für sie wird alles einfach immer schlimmer und je mehr ich über sie lernte, desto mehr tat sie mir leid. Sie hatte es einfach nicht verdient und ich frage mich, was wohl aus ihr geworden wäre, wenn sie nicht an Karl gelangt wäre. Wäre sie eine glückliche Frau? Aufgeweckt, immer mit einem strahlenden Lächeln? Und allein das zu Schreiben bringt mich an den Rand der Tränen. Denn leider gibt es selbst in unserer Gesellschaft Zwänge, die die Menschen unterdrücken. Die ihnen nicht erlauben, sich frei zu entfalten. Und irgendwie macht mich das extrem traurig.
Karl von Bahlow habe ich wirklich gehasst. Der kurze Einblick in seine Perspektive hat vollkommen gereicht und ich bin froh, dass da nicht noch mehr kam. Ich kann ihn schlichtweg nicht verstehen. Wie kann man jemanden so etwas antun? Hat er denn gar kein Gewissen? Natürlich, in der damaligen Gesellschaft ging es etwas anders zu, aber so etwas war ganz bestimmt nicht gefordert. Mir fehlen in diesem Moment auch wirklich die Worte zu mehr, denn er war grausam. Mehr kann man nicht sagen. Es beschreibt schon alles.
Und dann sind da noch die drei Kinder Grete, Helene und Martha. Grete ist sehr bestrebt, ihrem Vater zu gefallen. Sie passt sich perfekt der Gesellschaft an und möchte alles dafür tun, um angenommen zu werden. Respektiert zu werden. Sie sehnt sich nach jemanden, der sich um sie kümmert. Der ihr die Liebe entgegen bringt, die ihre Mutter und ihr Vater ihr verwehrten. Allerdings sind diese Bemühen keine Garantie, dass man auch das bekommt, was man möchte. Es ist erstaunlich, wie schlimm so etwas einmal enden kann.
Helene hingegen ist nicht so sehr bestrebt, jemanden zu gefallen. Sie macht, was man von ihr verlangt, aber ist dabei eher wie betäubt. Sie sieht keine Möglichkeit zu fliehen und das Schicksal verbaut ihr auch noch jegliche Flucht. Bei ihrem Schicksal kamen mir schon langsam die Tränen. Sie war eigentlich ein sehr angenehmer Charakter, der definitiv eine interessante Perspektive auf die Dinge zeigte. Sie war die stille Beobachterin, die fast nie etwas sagte, sondern nur hinsah und sich dabei etwas dachte. Sie fühlte sich eingesperrt und war damit Rosa sehr ähnlich. Und trotzdem empfand ich Helene als angenehmer, da es wenigstens einen Herrn Rönsch in ihrem Leben gab.
Am meisten hat mich aber Martha berührt. Sie ist eine Person, die auf jeden zugehen kann und dabei keine Scheu empfindet. Sie macht sich nichts aus den Meinungen der Anderen. Und dabei ist sie immer vollkommen ehrlich. Und zuerst kommt sie damit auch sehr weit, aber dann schlägt auch bei ihr das Schicksal zu. Das war dann der Moment, als ich haltlos angefangen habe zu heulen. Ich schäme mich nicht, das auch zu sagen, denn es ist traurig. Es ist einfach traurig, denn auch hier lassen sich immer noch Beziehungen zur heutigen Gesellschaft finden.
Vielleicht ist es nicht so klug an dieser Stelle mit Flüchtlingen anzufangen, aber sie sind ein gutes Beispiel. Wie werden die Leute angeguckt, die sich in Ausländer verlieben? Wir starren sie an, als wären sie etwas Fremdes, etwas Außerirdisches. Und da stelle ich mir die Frage: Ist es so wichtig, wen man liebt? Liebe ist etwas so schönes. Das sollte man nicht verbieten. Egal mit wem, wo und wie!


Da ich dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten hatte, habe ich das Cover vorher nicht gesehen. Aber jetzt … OMG, es ist wunderschön. Und damit meine ich auch wirklich wunderschön. Es passt perfekt. Die Südseeinsel und ich denke mal Rosa im Vordergrund. Dann die Blüten von Rosas Baum. Es harmoniert alles und zeigt mir, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat. Genauso wie der Titel perfekt passt, denn der Traum vom Horizont wird mehrfach erwähnt.


Der Traum vom Horizont ist ein Buch, das für mich zeigen soll, wie egal es eigentlich ist, wen man liebt. Es geht natürlich auch um die Stellung der Frau, aber damit ist viel mehr verbunden und diese Verbindungen schafft die Autorin geradezu spielerisch leicht. Die Probleme mit der Spannung kann für mich der grandiose Schreibstil nicht ganz kaschieren, aber die spannenden Stellen machen es definitiv zu einem echten Erlebnis.

Gesamtbewertung:

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